Gerade noch Bewährungsstrafe

Gerade noch Bewährungsstrafe

Höchster Kreisblatt, 29.10.2013

Kerbeborsche knöpften sich die Verwaltungschefin vor

Wenn in Sulzbach zum Abschluss des Kirchweihfestes das Kerbegericht tagt, gibt es immer viel zu lachen, aber es ist auch ein wenig Ernst mit dabei. Diesmal saß sogar Bürgermeisterin Renate Wolf auf der Anklagebank.

Die Anklage, die der neue Staatsanwalt Sebastian Fay, der nach fünf Jahren Jochen Bauer abgelöst hatte, erhob, war deftig: „Ich klage Sie an, wegen Nichtzuweisung von Lagerräumen die Kerbegesellschaft nachhaltig geschädigt zu haben. Ein Vergehen strafbar gemäß §§ 774,433 Abs. 2 Kerbeordnung.“

In der Begründung führte der Staatsanwalt im vollbesetzten Gerichtssaal im Bürgerhaus aus: Die Kerweborsche besitzen drei Theken, Kühlschränke, zwei große Zelte, circa 1000 Gläser, Kostüme, Ersatzhannes, Bierzeltgarnituren, Bollerwagen, Langholzwagen, Notfallbetten für gestrandete Kerweburschen und vieles mehr.

Mit dem Bretterverschlag, der ihnen auf einem Grundstück in der Wiesenstraße von der Gemeinde zur Verfügung gestellt wurde, sind sie nicht zufrieden. Hoffnung habe man ihnen beim Bau des „Herrenhauses“ im Frankfurter Hof gemacht, denn damals sei dem Kerbeverein die Nutzung eines Gewölbekellers versprochen worden.

Der Staatsanwalt stellte den Antrag, dass die Gemeindeverwaltung bis zur Kerb 2014 in den Kerweborsche-Raum einziehen muss und die Kerbegesellschaft bis dahin das Rathaus als Lager nutzen kann. Dem folgte das hohe Gericht nicht. Vielmehr wurde eine Bewährung ausgesetzt. Bürgermeisterin Renate Wolf soll bis nächstes Jahr einen entsprechenden Raum finden, sonst würde das Urteil vollstreckt werden.

Sieben Fälle

Das war einer von sieben Fällen, die Richter Sven Ewald, Staatsanwalt Sebastian Fay und Verteidiger Stefan Uhrig, betreut von Gerichtsdiener Stefan Hans, zu bearbeiten hatten. Besonderes Aufsehen erregte der Fall von Christian Noll und Jenny Altersberger wegen Entführung und illegaler Auswanderung. Dem Altkerweborsch Christian und dem Altkerwemädche Jenny wurde vorgeworfen, sich nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Tobias unerlaubt nach Sossenheim abgesetzt zu haben.

Das sei ein klarer Fall von illegaler Auswanderung und damit strafbar nach den Statuten des Kerbegerichts. Eine eidesstattliche Versicherung half. Christian und Jenny mussten schwören: „Unser Sohn Tobias wird, sobald der das 16. Lebensjahr vollendet hat, als Sulzbacher Kerweborsch aktiv an der Kerb 2029 teilnehmen.“

Natürlich durfte auch der Unfall beim Aufstellen des Kerbebaumes nicht fehlen. Wie im Kreisblatt berichtet, war der Baum abgestürzt, hatte den Kerbehannes unter sich begraben und dessen Stuhl zerstört. Die Reparatur des Stuhles – so die Anklage – habe dann viel zu lange gedauert. Deshalb wurden Erich Grötsch, Klaus Wittich und Sascha Petry wegen „fahrlässiger Verzögerung einer notwendigen Hannesreparatur“ angeklagt. Verteidiger Stefan Uhrig haute das Trio aber aus der unangenehmen Situation heraus: Sie seien schneller als der Notarzt gewesen und hätten den Stuhl in 16 Minuten repariert. Das führte zum Freispruch.

Schließlich galt es auch noch, ein „Kapitalverbrechen“ zu behandeln. Da habe doch der ortsbekannte Getränkehändler Werner Anthes Anfang des Jahres seine Tore geschlossen. Seitdem müsse in Sulzbach gedurstet werden. Und was noch viel schlimmer ist: „Die Kerweborsche und Kerwemädcher vergossen Träne um Träne und liefen verwirrt auf der Suche nach einer Kiste voller Schoppen die Hauptstraße auf und ab.“

Der Staatsanwalt forderte, dass Anthes lebenslang die Kerwegesellschaft auf eigene Rechnung mit selbst hergestelltem Ebbelwei versorgen muss, aber selbst nie mehr als einen Äppler trinken dürfe, sondern nur noch Sodener Kurwasser. Der Verteidiger half Werner Anthes aus der kniffeligen Lage. Anthes erhielt eine Bewährungstrafe für ein Jahr, wurde aber wieder als Kerweborsch reaktiviert. Na ja, er ist ja schließlich erst 62 Jahre alt . .

(mir)

 

 

Kategorie: News