„Dalles“ kam wohl von Frankfurt her (Sprachforschung)
Höchster Kreisblatt, 07.09.2015
Die Bezeichnung „Dalles“ steht für zentral gelegene Plätze und ist nicht nur in Sulzbach, sondern beispielsweise auch in Neuenhain, Schwalbach und Sindlingen bekannt. Der Geschichtsverein hat sich auf Spurensuche nach der Entstehung des Begriffs gemacht.
Viele im Ort sprechen vom „Großen Dalles“, der Kreuzung Hauptstraße/Schwalbacher Straße/Platz an der Linde, und vom „Kleinen Dalles“, der Einmündung der Oberschultheißereistraße auf die Hauptstraße. Aber viele wissen gar nicht, wieso es diese Beinamen gibt. Im aktuellen Rundbrief, den der Geschichtsverein „Reichsdorf“ Sulzbach für Vereinsmitglieder und Freunde der Heimatgeschichte erstellt, ist die Antwort zu finden.
Der Ausdruck „Dalles“ hat hebräisch-jiddische Wurzeln. Er leitet sich aus dem hebräischen dal für „schlapp“ bzw. dallût für „Armut“ ab, aus dem später der jiddische Begriff dalles für Armut oder Geldverlegenheit wird. Als Ausgangspunkt der Bezeichnung „Dalles“ wird in der Information des Geschichtsvereins Frankfurt am Main um das Jahr 1860 angenommen. Möglicherweise wurde der Platz des früheren Judenmarktes, auf dem unter anderem Trödel gehandelt wurde, der von ärmeren Besuchern (mit Geldverlegenheit) gekauft wurde, als „Dalles“ bezeichnet.
Ware von fahrenden Händlern
Dies ist die Brücke, über die die Bezeichnung von Frankfurt aus auch in die Nachbardörfer kam. Denn die ersten Geschäfte, die es in der von Landwirtschaft geprägten Gemeinde Sulzbach gab, waren die Bäckerei Bohrmann (1806) an der Fronhofstraße und die Kolonialwarenhandlung Hornfeck (1876) an der Hauptstraße. Diese mussten Haushaltswaren wie Töpfe und Pfannen oder Geschirr von fahrenden Händlern, oft als Hausierer bezeichnet, erwerben.
Auch die Kerb, die am Sulzbacher „Dalles“ gefeiert wurde, ist von ortsfremden Schaustellern mit Karussell und Buden beschickt worden. Es wird daraus geschlossen, dass fahrende Händler und Schausteller diesen Platz als „Dalles“ bezeichneten und der Begriff von den Sulzbachern umgangssprachlich weiterverwendet wurde.
Der Bereich des „Großen Dalles“ wurde in den 50er, 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts häufig umgestaltet. Alten Sulzbachern blutet noch heute das Herz, wenn sie Fotos sehen mit dem Gebäudeensemble des Gasthauses „Zum Taunus“ mit dem Biergarten und dem großen Saalbau (heute Frankfurter Volksbank) sowie dem Gasthaus „Schützenhof“, dem sich die Kernsschmiede anschloss (heute Parkplatz und Standort des Kerbebaumes).
Dorferneuerung
Im Rahmen des Dorferneuerungsprogramms aus den 1960er Jahren wurde der Ortskern neu gestaltet, um die Straße zu verbreitern und den Verkehrsfluss zu verbessern. Dies entsprach damals dem Zeitgeist, heute wird wieder der umgekehrte Weg eingeschlagen.
Von den drei Gaststätten, die den „Großen Dalles“ zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens gemacht hatten, steht nur noch das Gebäude des Gasthauses „Zur Flinte“, das heute als Wohnhaus genutzt wird.
Zahlreiche Sulzbacher hatten am „Dalles“ ihre Vereinsgaststätte oder auch ihren Stammtischtreff. Da die Wirte auch Eigentümer der Gaststätten waren, musste von ihnen keine Pacht erwirtschaftet werden, so dass Treffen in den Dorfkneipen üblich waren, ohne dass vom Hausherrn gleich die Speisekarte präsentiert wurde.
(mir)