Bei der nächsten Kerb gibt’s nur Milch statt Ebbelwoi

Höchster Kreisblatt, 21.10.2015

Am Milchautomaten am Brühl-Hof gab es während der Kerb nur Milch und keinen Ebbelwoi zu kaufen. Das war ein Fall für das Kerbegericht, denn nach Ansicht des Staatsanwaltes muss während des Kirchweihfestes im Ort immer und überall Ebbelwoi zu beziehen sein.

Nach der „Beerdigung“ der Kerb wurden im Saal des Bürgerhauses von Staatsanwalt Sebastian Fay, Richter Marc Rittmeyer und Verteidiger Stefan Uhrig, assistiert von Gerichtsdiener Stefan Hans, acht Fälle behandelt. Besonders delikat war der Fall des Milchautomaten, an dem kein Ebbelwoi angeboten wurde. Allerdings ging die Anklage nicht an die Betreiber des Brühl-Hofes, sondern an die Kerweborsche, weil denen nachgewiesen werden konnte, dass sie den Landwirt nicht über die Kerbeschankverordnung aufgeklärt hatten, aus der hervorgeht, dass während der Kerb überall Ebbelwei im Angebot sein muss.

Harte Strafe beantragt

Staatsanwalt Sebastian Fay beantragte eine harte Strafe: „Die Kerweborsche dürfen bei der Kerb im nächsten Jahr nur Milch trinken.“ Das ging Verteidiger Stefan Uhrig zu weit: „Ohne Ebbelwei – dess gibt kaa Kerb, dess gibt e Chaos.“ Zudem stünde in dem Vereidigungsspruch der Keweborsche der Satz „Und führe uns nicht in die Milchbar.“

Das Urteil fiel milde aus. Die Kerweborschen und Kerwemädcher mussten auf Vorschlag des Verteidigers noch im Gerichtssaal eine Runde Milch trinken. Richter Rittmeyer: „Nach so einem Wochenende ist Milch immer gesund für den Körper. Also gebe ich dem Antrag der Verteidigung statt.“

Politische Dimensionen beinhaltete der Fall „Bayerischer Frühschoppen“. Den hatte die Gemeinde eine Woche vor dem Kerbe-Frühschoppen im Bürgerzentrum veranstaltet. Der Kerbestaatsanwalt zeigte sich zwar „allen fremden Kulturen gegenüber aufgeschlossen“ und sieht „die Integration von Eingeplackten als Herausforderung, Bereicherung und Chance“, warf Bürgermeisterin Renate Wolf aber einen klaren Verstoß gegen die Kerbeleitkulturverordnung gemäß Paragraf 4711, 81 XI des Kerbegesetzes vor. Dazu kam „Anstiftung und Beihilfe in circa 150 Fällen in der gleichen Angelegenheit“.

Das Urteil fiel aber glimpflich aus, weil die Gemeinde ein Förderer der Kerb ist, die sie auch finanziell unterstützt, und weil dem Kerbeverein auf unbürokratische Art und Weise ein Lagerraum im Bürgerhaus am Platz an der Linde zur Verfügung gestellt wurde. Deshalb verkündete Richter Rittmeyer einen Freispruch mit der Auflage: „Im nächsten Jahr müssen zwischen dem Kerbefrühschoppen und dem Bayerischen Frühschoppen der Gemeinde mindestens 20 Tage liegen.“

Zwei Verwechslungen sorgten beim Kerbegericht für Aufsehen: Der Staatsanwalt hielt die Fahrradboxen, die vor einigen Wochen an den Bahnhöfen aufgestellt wurden, für Notschlafplätze für verloren gegangene Kerweborsche und kritisierte, dass diese nicht mit den „Mindeststandards für entsprechende Unterkünfte“ ausgestattet waren. Die Schuld sieht er beim „Bauministerium mit Sitz in Bad Soden, das für die Vorhaltung solcher Räumlichkeiten verantwortlich ist“.

Die zweite Verwechslung: Ein Kerweborsch wartete an der Haltestelle des Walkingbusses, an der Schulkinder gemeinsam zu Fuß den Schulweg antreten, auf den Bus. Staatsanwalt Fay schilderte die Tragik: „Wenn wir ihn nicht gefunden hätten, würde er dort heute noch warten.“ Dem betroffenen Kerweborsch wurde „Nachsitzen und ein Grundkurs in der Straßenverkehrsordnung“ aufgebrummt.

(mir)

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